DIE BARBARISIERUNG DER LUFT
Von
BERTHA VON SUTTNER
Berlin, 1912
Vor fŸnfzehn, zwanzig Jahren wandten sich die
mittellosen Erfinder, die sich mit PlŠnen zur Konstruk-
tion von lenkbaren Ballons oder Flugmaschinen herum-
trugen, an die FŸhrer der Friedensbewegung. Helft
uns, sagten sie, die Luft zu erobern, und der Krieg ist
Ÿberwunden. Die GrŸnde, die sie anfŸhrten, waren un-
gefŠr folgende: Die trennenden Grenzen wŠren ver-
wischt, denn in der Luft lassen sich weder Barrieren,
noch Zollschranken, noch Grenzfestungen aufrichten;
der erleichterte und zehnfach beschleunigte Verkehr
wŸrde die Všlker einander noch nŠher bringen, als dies
schon jetzt durch Eisenbahn und Dampfschiffe ge-
schieht, und durch diese AnnŠherung wurden die Feind-
schaften schwinden, und durch den Jubel Ÿberhaupt,
den eine solche herrliche Errrungenschaft in den Ge-
mŸtern erweckte, wŸrden die Menschen Ÿber ihre klein-
lichen Ha§- und NeidgefŸhle hinausgehoben werden.
Diese Argumente leuchteten den Pazifisten voll-
stŠndig ein, und gern hŠtten sie zu den Experimenten
der Erfinder das nštige Geld geliefert. Bekanntlieh sind
aber die Friedenskassen leer; nur bei den Kriegs-
ministerien ist finanzielle Fšrderung zu haben.
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Was aber in der Theorie noch so klar, noch so
logisch, noch so mathematisch sicher ist, was als un-
bestritten hingenommen werden kann, wie etwa der Satz
2x2=4, - in der Praxis verkehrt sich's plštzlich zum
Gegenteil, und zwei mal zwei ergiebt jede andere be-
liebige Zahl ebenso leicht als vier.
Jetzt ist die Luft erobert - Wir kšnnen Ÿber alle
Grenzen fliegen und in Hšhen uns schwingen und -
der Krieg besitzt nun eine neue Waffe mehr.
Und zwar eine Waffe, die von allen bis jetzt ver-
wendeten sich als die teuflischste erweisen kann.
* *
*
SchlieBlich behalten Logik und Mathematik doch
recht. Zweimal zwei ergibt - wenn auch auf Umwegen
- unfehlbar vier, und die Fliegekunst wird - auch
wenn sie zum Kriege ausgenŸtzt wird - den Krieg
vernichten.
Auf welche Weise? Das soll spŠter untersucht
werden. Einstweilen sei hier ein gedrŠngter historischer
RŸckblick gemacht. Nicht etwa bis zu Ikarus zurŸck,
sondern nur bis zur ersten Haager Friedenskonferenz.
Im jahre 1899, als die Delegierten von 26 Nationen
im Haag versammelt waren, um Ÿber KriegsverhŸtung
(leider aber auch Ÿber KriegsfŸhrung) zu beraten, da
wurde in Paris flei§ig an dem Bau von Luftschiffen ge-
arbeitet, an denen das Problem der Lenkbarkeit ge-
lšst werden sollte. GerŸchte stiegen auf, daB die Lšsung
gelungen sei; dann hieB es wieder, da§ die Versuche
mi§glŸckten, worauf neuerliche Nachrichten von erreich-
ten Erfolgen auftauchten. Ich erinnere mich, da§
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W. T. Stead in seiner tŠglich in einem Haager Blatt
erscheinenden Konferenzchronik schrieb: ãDie Fran-
zosen sollten mit einem Lenkballon das ãHaus im BuschÓ,
wo die Beratungen abgehalten werden, umkreisen, und
dadurch wŸrde mit einem Schlage bewiesen sein, da§
man in Zukunft nicht mehr werde Krieg fŸhren kšnnen.Ó
Die Konferenz befaste sich mit der Frage, und
in die Konvention Ÿber den Kriegsbrauch wurde das
Verbot aufgenommen, aus den LŸften Sprengstoffe
herabzustreuen. Dauer dieses Vertrages: fŸnf Jahre.
Selbst die Amateure des Krieges mit allen erdenk-
lichen Mitteln, die diese EinschrŠnkung mit unterzeichnet
haben, mochten denken: Mit der Lenkbarkeit hat es
noch gute Wege; in den nŠchsten fŸnf Jahren - wenn
Ÿberhaupt - wird das Problem sicher noch nicht
gelšst sein, also kann man ruhig unterschreiben.
Acht Jahre spŠter, 1907, als die zweite Haager Kon-
ferenz tagte, besa§ Frankreich schon eine Anzahl von
Dirigeables, und in Deutschland triumphierte Zeppelin.
Die fŸnfjŠhrige Vertragsfrist war abgelaufen, und das
Verbot wurde zwar erneuert, aber nicht ratifiziert.
So war denn das Bombardieren aus der Luft
gestattet?
ãMein Gott, lautete darauf die beschwichtigende Ant-
wort (man kann sich gar nichts Beruhigenderes, GlŠtten-
deres, Oel-auf-die-Wogen-Gie§enderes denken als die
Versicherungen der militŠrischen Fachleute, wenn sie von
Šngstlichen Zivilmenschen um die Zukunftsergebnisse
ihrer Vorkehrungen befragt werden) - mein Gott, die
Luftschiffe werden ja nur zur Rekognoszierung verwen-
det werden; es glbt ja aus solchen Hšhen und im
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Vorbeifliegen gar keine Mšglichkeit des Zielens und
Treffens - eher kšnnte man von einem Balkon des
fŸnften Stockes auf eine auf dem Pflaster liegende
NickelmŸnze spucken, als von einem Ballon aus ein
auf dem Erdboden oder der WasserflŠche befindlches
Ziel beschie§en. Nein, nein, von dem Schie§en von
oben kšnnen nur Laien faseln; nur zur Auskundschaf-
tung werden die Lenkbaren dienen, da sind sie aber
unschŠtzbar.Ó
UnschŠtzbar - fŸr wen? FŸr uns oder fŸr die
andern? Da§ die sogenannten VorzŸge und Vorteile
der Kampfmittel sich immer gegenseitig aufheben und
nur der beiderseitige grš§ere Schaden bleibt, das wird
bei den Anpreisungen der ãverbessertenÓ Methoden und
Werkzeuge stets vergessen.
Inzwischen kam aus Amerika die Kunde, da§ dort
die GebrŸder Wright fliegende Apparate - schwerer
als die Luft - konstruiert haben. Das wŠre erst die
richtige Eroberung der Hšhen: Flugmaschinen. Aber
welcher Traum, welche Utopie. Die Nachricht aus Ame-
rika war offenbar Humbug. Oder, wenn wirklich ein
paar klŠgliche LuftsprŸnge gelungen, wie weit War es
da bis zu wirklichen FlŸgen, bis zur praktischen Verwen-
dung der Aeroplane in Krieg und Frieden, - nach
wieviel Jahrzehnten (wenn Ÿberhaupt) wŸrde man da
etwas erreichen. Da hŠtte es wieder einmal ãseine guten
Wege ...Ó
Aber siehe da, mit einer rasenden Schnelligkeit ver-
breitet sich Aeronautik und Aviatik, - der Eiffelturm
wird umkreist, der Aermelkanal wird Ÿberquert. Das
war im Jahre 1909.
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Kurze drei Jahre, und wo halten wir heute? In
allen LŠndern fŸhren die Kriegsverwaltungen Luft-
truppen ein. Selbst die Republik China hat in
Wienerneustadt fŸr MilitŠrzwecke Etrichtmonoplane an-
gekauft. Wo werden wir in zehn Jahren halten, wenn
es in diesem Tempo weitergeht?
Auf eine solche Frage verweigern die FachautoritŠten
die Antwort. Es handelt sich immer nur um die Auf-
gaben der gegenwŠrtigen Stunde. Der Nachbar hat
ein Luftschiff, ergo mu§ ich auch eins bauen, der andere
Nachbar hat zwei Aeroplane bestellt, also mu§ ich auch
zwei oder womšglioht drei haben. Mit dieser Rechnungs-
formel wird jede andere ErwŠgung und jede Voraus-
sicht beiseite geschoben.
Alle Argumentationen Ÿbrigens, ob Luftschiffe und
Flugapparate als Angriffswaffe eingefŸhrt werden sollen
oder nicht, sind durch die Tatsachen Ÿberholt, - die
Waffe ist schon eingefŸhrt. Die Italiener haben im tripo-
litanischen Kriege die erste ãtorpedine del cieloÓ ge-
braucht und fortan gehšrt das Bombenwerfen aus den
LŸften zu den vorhandenen Erfahrungen und
BrŠuchen des Krieges infolgedessen zum Všlkerrecht.
* *
*
Vom Standpunkt der Kriegswissenschaft und der
Kriegsphilosophie selber bedeutet die Eroberung der Luft
eine gewaltige UmwŠlzung. Eine Zeitlang wird man ver-
suchen, die alten Methoden, die alten Begriffe in dieses
ganz neue Feld hinŸberzunehmen; so spricht man jetzt
z.b. schon vom Kampf um die ãHerrschaft der LuftÓ.
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Schon die ãsogenannte Herrschaft des MeeresÓ war ein
aus dem Bereich der tatsŠchlichen Herrschaft Ÿber ein
StŸck Boden auf die unbezwinglichen Strecken des
Ozeans Ÿbertragener Wahnbegriff, aber was es im end-
losen Luftraum zu besitzen und zu beherrschen gebe,
das wu§te niemand zusagen.
Das ganze System des Krieges - seine ganzen
Spielregeln, kšnnte man sagen - sind auf folgende Vor-
aussetzungen aufgebaut:
Die beiden Gegner ziehen einander an den Grenzen
entgegen, trachten hinŸberzukommen, beziehungsweise
den andern daran zu verhindern; suchen Positionen zu
gewinnen, zu behaupten; marschieren womšglich bis zur
Hauptstadt vor, und ist ihnen das gelungen, so diktieren
sie den Frieden.
Zur Erschwerung dieses Spiels werden schon zu
Friedenszeiten an den Grenzen Forts gebaut und der
Boden unterminiert; weiter im Lande stehen noch mehr
Festungen, die eine nach der andern genommen werden
mŸssen, ehe vorgedrungen werden kann, und Ÿbrigens
wird jedes Dorf, jeder Meier-, jeder Friedhof, wo man
zusammenprallt, zum festen Platz gemacht.
Zur See wird dasselbe Spiel unterstŸtzt, indem die
Flotten zur KŸste dringen, deren Ueberschreitung auch
durch Au§enforts und Seeminen erschwert wird. Und
nun kommt die neue Streitkraft - die fliegende - hinzu.
Da ist das GrenzŸberschreiten Spielerei. Durch die
Festungen braucht man sich nicht lange aufhalten zu
lassen. Nicht nur, da§ man sie von oben herab mit
ein paar Piroxinladungen zerstšren kann, - man lŠ§t
sie einfach links liegen.
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Auf die Truppen im Aufmarsch und im Lager hagelt
der Tod aus den Wolken; die EisenbahnbrŸcken werden
von oben zerstšrt, die Geschwader vernichtet, - im
Luftraum aber, in dem grenzenlosen, hindernislosen, gibt
es keine zu gewinnenden Positionen, folglich kann es
dort zu keiner Entscheidung kommen.
Wenn nun die Staaten unter all diesen neuge-
schaffenen Bedingungen nach wie vor mit allen schon
eingefŸhrten Waffengattungen in den Kampf ziehen
wollen, so ist das, als ob sich zwei Schachspieler zum
Brett setzten und erklŠrten:
Wir wollen alle alten Spielregeln gelten lassen: der
Bauer macht immer nur einen Schritt, die Ršssel springen
wie zuvor; die Dame behŠlt die hšchste Macht, der
Kšnig kann in sichere Rochadenecken zurŸckgehen, aber
eine neue Regel fŸgen wir hinzu: jeder von uns darf
von oben etwas auf das Brett fallen lassen und sŠmtliche
Figuren umwerfen. Eine hŸbsche Spielerei, - dafŸr
wŸrden die Schachmeister sich bedanken.
Die Figuren bedanken sich schon lange.
* *
*
Wie sich ein kŸnftiger Luftkrieg gestalten mŸ§te,
das lŠ§t sich mit einiger Einbildungskraft leicht aus-
malen, das hat der phantasiereichste Autor der Gegen-
wart, H. G. Wells, auch meisterhaft getan.
Zukunftskriegsromane, wie sie in letzter Zeit, nament-
lich von militŠrischen Schriftstellern hŠufig erschienen
sind, haben wenig Kredit. Gewšhnlich sind sie mit der
Tendenz geschrieben, zu zeigen, wie die eigene Nation,
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dank au§erordentlicher Vorbereitungen, Ÿber den lauern-
den Feind glŠnzende Siege davontragen und zur Welt-
herrschaft gelangen wird. Und abgesehen von dem
Mi§trauen, das man gegen TendenzbŸcher hegt, wird
Ÿberhaupt von realpolitischer Seite wenig Gewicht auf
Vorhersagungen gelegt. Die gehšren, meint man, auf
das Gebiet der Utopie, der Phantasterei, damit gibt sich
der Praktiker und der Fachmann nicht ab.
Wie sich die neue Kriegswaffe bewŠhren wird, das
kšnnen erst, so hei§t es im MilitŠrstil, die ãErfahrungenÓ
des kŸnftigen Krieges lehren.
Nun ist es freilich richtig: man kann niemals mit
Bestimtmtheit vorhersagen, ob etwas geschehen wird.
Man kann aber mit Sicherheit sagen, wie etwas ge-
Schehen mu§, wenn es unter gewissen Voraussetzungen
vor sich gehen wird, Ich kann nicht behaupten, da§ eine
gewisse, bisher rastlos geheizte Maschine in die Luft sprin-
gen wird, - denn vielleicht šffnet der Heizer doch noch
das Ventil, aber ich darf fest behaupten, da§, wenn
dies nicht geschieht, die Maschine unfehlbar explodieren
wird. Das richtige Vorhersagen ist ja doch das Kriterium
der richtigen Wissenschaft.
In diesem Licht betrachtet, mŸssen die Werke solcher
Autoren, die - wie Jules Verne und Wells - ihre fik-
tiven Zukunftsbilder nach den Gesetzen der Natur-
krŠfte und des logischen Denkens entwerfen, als virtuelle
Wahrheit und gegebenenfalls als gewichtige Warnung be-
trachtet werden. Und in dieses Licht seien hier folgende
Romanstellen gerŸckt:
Zuerst eine Betrachtung Ÿber das Verhalten der
Menschen vor Ausbruch des Luftkrieges:
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ã---Sie gingen ihren eigenen Angelegenheiten
zwar energisch genug nach, aber doch mit einer merk-
wŸrdigen LŠssigkeit allen jenen drohenden Dingen gegen-
Ÿber.
Niemand machte sich Sorge wegen der wirklichen
Gefahren fŸr die Menschheit. Sie sahen ihre Heere und
Flotten immer grš§er und unheildrohender werden;
manche ihrer Kriegsschiffe kosteten zuletzt so viel wie
der ganze jŠhrliche Aufwand fŸr hšhere Ausbildung
und Erziehung betrug. Sie hŠuften Geschosse und Zer-
stšrungsmaschinen an; sie lie§en ihre nationalen Tradi-
tionen und EifersŸchteleien immer hšher anwachsen;
sie sahen ohne Sorge oder VerstŠndnis mit an, wie, je
mehr die Rassen sich einander nŠherten, desto mehr
auch die Rasstenfeindschaft sich steigerte, und sie duldeten
in ihrer Mitte das Vorhandensein einer Ÿbelgesinnten
Presse voll schlimmer Gesinnungen, habgierig, gewissen-
los, unfŠhig, Gutes zu tun, und mŠchtig, Bšses anzu-
stiften. Der Staat Ÿbte in Wahrheit keine Kontrolle
Ÿber die Presse aus. Vollkommen sorglos sahen sie
diesen ZŸndfaden, der nur auf einen Funken wartete,
vor der TŸre des Kriegsmagazins liegen. Und dabei
war die ganze frŸhere Weltgeschichte ein einziger gro§er
Bericht von Zusammenbruch von Zivilisationen, und
die Gefahren der Gegenwart lagen vor aller Augen.
Man ist heute gar nicht mehr imstande, zu glauben,
da§ sie sie nicht zu sehen vermochten.
Ob die Menschen den Luftkrieg hŠtten verhŸten
kšnnen? Eine mŸ§ige Frage! Sie konnten es nicht, eben
weil sie das Unheil nicht aufhielten, nicht den Willen
hatten, es aufzuhalten| Was die Menschheit alles voll-
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bringen kšnnte, wenn sie einen anderen Willen hŠtte,
ist ein ebenso mŸ§iges wie gro§artiges Problem.
Diesmal war es kein langsamer Verfall, der Ÿber die
europaisierte Welt kam; die antiken Zivilisationen ver-
rotteten und zerbršckelten, die europaisierte Zivilisation
aber flog sozusagen in die Luft.
Innerhalb eines Zeitraumes von fŸnf Jahren war
sie vollstŠndig zersetzt und vernichtet. Noch bis zum
Vorabend des Luftkrieges nichts als ein einziges Bild
des Fortschrittes, weltenweite Sicherheit, ungeheure
SchauplŠtze gro§artig organisierter Industrie und wohl-
geordneter Bevšlkerungen, RiesenstŠdte, die sich ins Un-
geheuerliche dehnten. Meere und Ozeane mit Schiffen
ŸbersŠt, das Land mit Netzen von Eisenbahnen und
Verkehrsstra§en bedeckt. Und dann auf einmal, uner-
wartet, fegen die Luftflotten Ÿber der Szene, und wir
stehen am Anfang des Endes.Ó
Die wahrhaft monumentale Schilderung der KŠmpfe,
Massakers und Zerstšrungen, die durch Anwendung der
ãneuen WaffeÓ vorgehen, mu§ man in dem Buche nach-
lesen. Hier nur die vom Verfasser vorausgesehenen
Folgeerscheinungen:
ã - - Als dies geschah, wankte schon das ganze
FinanzgebŠude der Welt. Mit der Vernichtung der
amerikanischen Flotte im Nordatlantik und dem ver-
derblichen Zusammensto§, der der Seemacht Deutsch-
lands in der Nordse ein Ende machte, mit dem Ein-
Šschern und ZertrŸmmern von Milliarden von Pfund
reprŠsentierendem Eigentum in den vier grš§ten StŠdten
der Welt, zeigte sich zum erstenmal die ganze kost-
spielige Hoffnungslosigkeit des Krieges, und fuhr wie
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ein Blitzschlag unter die Menschheit. Der Kredit brach
zusammen in einem wilden Wirbel von Verkauf. Ueber-
all zeigte sich eine Erscheinung, die sich in milderer
Form auch schon in frŸheren Zeiten der Panik gezeigt
hatte: der Wunsch, Geld zu erhaschen und aufzuf
speichern, ehe die Preise zur tiefsten Tiefe herabsanken.
Jetzt verbreitete sich diese Gier wie ein Weltbrand Ÿber
die ganze Welt. Oben die fŸr alle sichtbaren Konflikte
und die Vernichtungen. Unten aber gingen Dinge vor
sich, die fŸr das ganze unsichere GebŠude von Finanz-
und Handelswesen, auf das die Menschheit so blindlings
vertraut hatte, weit unheilvoller und tšdlicher waren.
Und wŠhrend droben die Luftschiffe kŠmpften, schwand
drunten der sichtbare Geldvorrat der Welt immer mehr.
Eine Epidemie allgemeinen Mi§trauens kam Ÿber die
ganze Welt. In wenigen Wochen schwand, mit Aus-
nahme von entwerteten Papieren, das Geld . . . in Ge-
wšlben, in Lšchern, in Hausmauern, in vielen MŸlleimern
und heimlichen Verstecken. Es verschwand . . . und
Handel und Industrie hšrten auf unter seinem Verschwin-
den. Die ganze finanzielle Welt taumelte und brach
zusammen. Es war wie das WŸten einer Pest . . . es
war, als schwŠnde das Wasser aus dem Blut eines lebendi-
gen Geschšpfes . . . Wie ein plštzliches allgemeines
Gerinnen jeden Verkehrs.
Und wŠhrend das Kreditsystem, das die lebendige
Festung der wissenschaftlichen Zivilisation gewesen war,
wankte und auf die Millionen, die es durch finanzielle
Verbindungen zusammengehalten hatte, herabstŸrzte,
wŠhrend alle diese Menschen verwirrt und hilflos das
Weltwunder des gŠnzlich vernichteten Kredits anstarrten,
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ergossen sich zahllos, erbarmungslos, die Luftschiffe
Asiens Ÿber den Himmel, stŸrzten sich ostwŠrts nach
Amerika . . . und westwŠrts nach Europa. Und das
Blatt der Geschichte fŸllte sich mit einem langen
Crescendo von Kampf.
Der allgemeine soziale Zusammenbruch war die
logische Konsequenz des Weltkrieges. Wo gro§e Be-
všlkerungen waren, waren noch Massen von Menschen
ohne Arbeit, ohne Geld, unfŠhig, ihren Lebensunter-
halt zu erwerben. - - - Eine vierte Phase folgte. Mitten
durch den Kampf gegen das Chaos, in den Fu§stapfen
der Hungersnot, kam jetzt der andere alte Feind der
Menschheit: die Pestilenz - der rote Tod.
Aber der Krieg kennt kein Einhalten.
Die Flaggen wehen noch immer. Neue Luftflotten ent-
stehen, neue Formen von Luftschiffen. Und unter ihren
dahinschwebenden KŠmpfen wird die Welt dunkler und
dunkler . . . ohne da§ die Weltgeschichte sie weiter be-
achtet. Der Luftkrieg ging immer weiter, einfach, weil
von allen Behšrden und ma§gebenden Persšnlichkeiten
niemand imstande War, ihm entgegenzutreten, zu ver-
handeln, ihn zu Ende zu bringen, bis schlie§lich jede
organisierte Regierung in den ganzen Welt so zerbrochen
und zertrŸmmert war wie ein Haufen Porzellan, in das
man mit einem Stock geschlagen hatte.
Die gro§en Nationen und Reiche sind zu blo§en
Namen im Munde der Leute geworden. Ueberall Ruinen,
unbeerdigte Tote, verwitterte, bleichgesichtige Ueber-
lebende int tšdlicher Apathie. Hier RŠuber, dort Be-
Wachungskomitees und da wiederum Guerillabanden, die
die StŸcke ausgesogenen Landes beherrschen; seltsame
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Verbindungen und Orden bilden sich und lšsen sich
wieder auf; religišse, aus der Verzweiflung geborene
Fanatismen glŸhen aus hungerfunkelnden Augen. Es ist
eine allgemeine gro§e Auflšsung. All die schšne Ord-
nung und der Wohlstand der Erde sind zusammen-
geschrumpft wie eine zerplatzte Luftblase.
Das Buch schlie§t mit einem Dialog. Ein Ueber-
lebender aus jenen Kriegszeiten, jetzt ein uralter Mann,
spricht mit seinem Enkel:
ãEinmal war hier in der NŠhe eine gro§e Schlacht,
Teddy, hoch in der Luft. Gro§e Dinger, grš§er als
fŸnfzig HŠuser, grš§er als der Kristallpalast, grš§er als
alles, flogen droben in der Luft herum und prŸgelten
sich gegenseitig durch, und die Toten fielen nur so
herunter. FŸrchterlich. Aber sie tšteten weniger die
Menschen, als da§ sie allem GeschŠft ein Ende machten.
Es war Ÿberhaupt kein GeschŠft mehr, Teddy, und
nirgends mehr Geld, und nichts zu kaufen, wenn man
Geld hatte.Ó
ãAber wie sind denn die Leute ums Leben ge-
kommen?Ó fragte der kleine Junge.
ãIch erzŠhle es dir ja, Teddy.
Der rote Tod, der fegte die Menschen einfach weg,
Teddy. Von Begraben war gar keine Rede mehr. Und
auch die Hunde, Katzen, Ratten und Pferde nahm er
mit. Schlie§lich war jedes Haus und jeder Garten voll
von Leichen. Nach London zu konnte man Ÿberhaupt
nicht gehen, so rochen sie. Wasserleitungen und Unter-
grundtunnels waren auch verseucht - Wo der rote Tod
herkam, das wei§ der liebe Gott . . Alles, was ich wei§,
ist, da§ er nach der Hungersnot kam. Und die Hungers-
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not kam nach der Panik, und die Panik kam nach dem
Krieg.Ó
Teddy dachte nach. ãWas hat der rote Tod ge-
macht?Ó fragte er.
ãIch habe es dir schon erzŠhlt.Ó
ãAber warum war denn eine Panik?Ó
ãEs war eben eine.Ó
ãAber warum haben sie den Krieg angefangen ?Ó
ãSie konnten nicht anders, weil sie doch ihre Luft-
schiffe hatten.Ó
ãAber warum haben sie nicht aufgehšrt mit dem
Krieg?Ó
ãAus Eigensinn. Jedem tat er weh - aber jeder
tat auch dem andern weh. Und alles war voller Stolz
und Patriotismus, und so haben sie lieber alles Ÿber
den Haufen geschmissen. Machten einfach weiter, immer-
zu; und nachher waren sie verzweifelt und wŸtend.Ó
ãAber sie hŠtten aufhšren mŸssen,Ó sagte der Junge.
ãEr hŠtte gar nicht anfangen mŸssen.Ó
sagte der alte Tom. ãAber die Menschen waren hoch-
mŸtig. Und Ÿberhebend und vornehmtuerisch. Nach-
geben - das gab's nicht. Und nach einer Weile ver-
langte auch niemand mehr, da§ der andere nachgeben
sollte. Niemand verlangte das mehr. . .Ó
Er sog gedankenvoll an seinem welken Zahnfleisch,
und sein Blick schweifte Ÿber das Tal, wo die zer-
brochenen Scheiben des Ktristallpalastes in der Sonne
funkelten. Ein unklares, uferloses GefŸhl vergeudeter
und unwiderruflich verlorener Mšglichkeiten Ÿberkam
ihn, und er wiederholte sein endgŸltiges Urteil Ÿber
all diese Dinge - eigensinnig, langsam, abschlie§end,
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eine Schlu§kritik des Ganzen: ãDu kannst sagen, was
du willst,Ó sagte er, ãer hŠtte gar nie anfangen sollen.Ó
En sagte es ganz einfach . . . ãIrgendwer hŠtte irgendwo
etwas verhindern mŸssen.Ó
* *
*
Ja: verhindert sollte werden. Indessen, was
geschieht? Es wird vorbereitet. Zwar stehen wir
erst am ersten Anfang, und doch, wie weit sind wir
schon in den Vorarbeiten zum Luftkrieg gediehen!
WŠhrend ich dieses schreibe (Mai 1912), haben die Natio-
nalsammlungen fŸr die Hšhenbewaffnung in Frankreich
Ÿber drei Millionen, in Deutschland Ÿber zwei Millionen
ergeben; in Italien hat der Kšnig selber - beispielgebend
_ 100 000 Lire fŸr die Sammlung gespendet, und in
Oesterreich hat der Kriegsminister eben angekŸndigt, da§
er sich an die Spitze eines sich bildenden Luftflotten-
vereins gestellt hat, und da§ nunmehr - hoffentlich
erfolgreich - an die Opferwilligkeit der Bevšlkerung
appelliert werden wird, um auch hier die ãvierte WaffeÓ
gebŸhrend auszustatten.
Also jedenfalls stehen in Aussicht, - wenn es auch
nicht zum Luftkrieg kommen sollte, wenn wirklich die Ver-
nunft der Všlker diese Gefahr abzuwenden imstande
wŠre, - jedenfalls stehen neue Steuern, neue Teuerungs-
zunahmen, neue Rekords im wahnsinnigen RŸstungs-
wettlauf bevor.
Und was geschieht, um zu verhindern - um zu
bremsen? Erheben sich Proteste in den Parlamenten,
in der Presse? Mit Ausnahme der sozialdemokratischen
BlŠtter bringen alle gro§en ãliberalenÓ wohlgesinnten
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Zeitungen der Welt jene Nachrichten ohne Kommentar,
ohne ein wort des Widerspruchs. Ebenso kommentar-
los erlassen sie ihre pflichtschuldigst an leidender Stelle ab-
gedruckten Aufrufe zu den Sammlungen. Und ohne
mit der Wimper zu zucken, bringen sie Berichte Ÿber
die ãErfolge", die die neue Waffe im tripolitanischen
Kriege bereits errungen hat: Panik und Zerstšrung an
von obenbeschossenen Karawanen und Lagern. Steigt
denn niemandem, der solches berichtet, ein moralischer
Ekel auf vor solchen Meucheleien?
An empšrten, an warnenden Stimmen gebricht es;
an beifŠlligen, die kŸnftigen, schreckhaften Wirkungen
der fliegenden Waffe mit Freude ausmalenden Stimmen
ist kein Mangel:
Im ãGauloisÓ veršffentlichtt Robert de Michiels ein
Bild aus dem kommenden deutsch-franzšsischen Krieg:
ãDer Krieg erklŠrt! Auf der andern Seite des
Rheins rŸckten die feindlichen Heere wieder gegen
Frankreich vor, und am 3. Juni 192., genau Zwei Tage
nach der KriegserklŠrung, erreichten ihre ersten Armee-
korps die Vogesen.Ó Nun erzŠhlt de Michiels, wie
die Luftkundschafter diesen Anmarsch entdecken, und
daraufhin mittels drahtloser Telegraphie sŠmtliche ver-
fŸgbaren Aeroplane zur Stelle beordert werden:
ãDie ganze Nacht flogen Ÿber Feld und Flur, die
im Schlummer lagen, lebende Pfeile am Sternenhellen
Himmel dahin (O Profanation des Firmaments! B.S.),
und als der Morgen graute, waren 50 Flieger an der
Ostgrenze.
Und nun gelangte unter tiefstem Schweigen der
gefa§te Plan zur AusfŸhung. Um 4 Uhr nachmittags,
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als der Wind sich gelegt hatte und die AtmosphŠre von
idealer Reinheit war, flogen die 50 Aeroplane mit je
einem Piloten und einem zweiten Offizier, der 100 Kilo-
gramm Granaten, Explosivstoffe, Melinitbomben und Tor-
pedos zur VerfŸgung hatte, davon. Die Armee, die in
einem gewaltigen Kreis aufgestellt war, prŠsentierte die
Gewehre bei Erscheinen der 100 Helden, die, ohne zu
zšgern, sich bereit zeigten, ihr Leben fŸr die Errettung
eines Volkes in die Schanze zu schlagen. Die Offiziere
gr٤ten mit dem Degen, und die Fahnen der Regimenter
neigten sich bei jeder Auffahrt.
Und es kam ein Geschehnis, das in der Geschichte
einzig dastand, etwas Unerhšrtes, das diesem Kriege
und allen Kriegen ein Ende bereitete, da es sie fortan
unmšglich machte . . . Die 50 Všgel hatten die Vogesen
erreicht; sie hatten in einer gro§en Hšhe die ersten
Vorberge Ÿberflogen und lie§en sich dann auf ein Zeichen
auf die feindliche Armee hinab, die seit zwei Tagen
wie zwischen zwei Mauern in den BergpŠssen eingeengt
war. Auf ein zweites Zeichen, das wie das erste von
dem die Spitze haltenden Aeroplan ausging, kam der Ab-
stieg zum Stehen. Die Motoren begannen wieder ihr
dumpfes Rattern, und wŠhrend die todbringenden
Apparate Ÿber der feindlichen Armee, die sie jetzt zum
erstenmal erblickte und wie gelŠhmt und ohnmŠchtig
emporschaute, nach allen Richtungen hin ausschwŠrmten,
lie§en die 50 Offiziere plštzlich einen Regen von Eisen
und Feuer niedergehen, einen Platzregen von Bomben,
der in den engen Schluchten ganze Regimenter zer-
schmetterte, und der jeden Kampf nutzlos, jede Flucht
unmšglich machte. Wie hŠtte man auch in diesen
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schmalen SteingŠngen gegen die Adler am Himmel
Kanonen richten kšnnen. Ein letzter Wurf streckte den
Generalstab, die Prinzen, die Garde zu Boden.
Dort unten am Horizont flog das Luftgeschwader
in vollkommenster Ordnung nach Frankreich zurŸck,
wŠhrend die letzten Strahlen der untergwehenden Sonne
in den EngpŠssen, wo der Schatten immer hšher stieg,
die letzten TrŸmmer der zum Rhein hin fliegenden
kaiserlichen Armee beleuchteten.Ó
* *
*
Das also sind Visionen von Dingen, die zwar mšg-
licherweise nicht geschehen werden, die aber von manchen
Geistern gewollt und gewŸnscht, und durch flei§ige
Vorarbeit jedenfalls mšglich gemacht werden.
Aber nicht allein durch gedichtete Phantasiebilder
werden Šhnliche Visionen hervorgerufen, auch in prak-
tisch-technischer Weise wird auf FlugplŠtzen und in Aus-
stellungen der Mechanismus des kommenden Luftkrieges
den lernbegierigen Zuschauern vorgefŸhrt. Auf dem
MilitŠrflugplatz in Wienerneustadt wirft man von den
aufgestiegenen Aeroplanen SandsŠcke herab, welche
Bomben darstellen, um Treff- und Wurfsicherheit aus-
zuprobieren.Und in der gro§en aeronautischen Aus-
stellung der Ala war ein zerschossener, gepanzerter Ballon-
kšrper zu sehen, als Demonstration der nach Vorschrift
gemachten und wohlgelungenen Schie§versuche.
In der in einem illustrierten Blatt erschienenen Be-
schreibung der Ala hei§t es unter anderem:
ãIn einem Meisterwerk der PrŠzisionsarbeit lŠ§t der
alte Euler, der Fluglehrer des Prinzen Heinrich, der
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erste ãwirklicheÓ deutsche Flieger Ÿberhaupt, dessen
Pilotenzeugnis auch die Nr. 1 trŠgt, uns einen Blick in
die schauerlich-gro§artige Zukunft des Luftkrieges tun.
Nicht, wie das gro§e Publikum immer meint, des Krieges
aus der Luft, denn an die Bombenwerferei aus dem
Flugzeug glaubt kaum ein Fachmann, sondern des
Krieges in der Luft, des Kampfes der Flugzeuge gegen
die Luftschiffe. Fest und unbeweglich in der Achs-
richtung ist ein Maschinengewehr in das Flugzeug ein-
gebaut, dessen Richten durch Steuerung der ganzen
Maschine selbst erfolgt, wie ja auch beim Abkommen
aus den gro§en MarinegeschŸtzen das Heben und Senken
des Schiffes selbst mitbenutzt wird. Das Visier des
Flugzeuges wird auf die gewŸnschte Entfernung einge-
stellt, und so wie der feindliche Luftkreuzer in die Visier-
linie einschnappt, prasselt der Hagel los, - eine LŠngs-
garbe von 250 Infanteriegeschossen rei§t in wenigen
Sekunden die HŸlle des Gegners auf, und in fŸnf Minu-
ten kšnnen 3000 Schu§ verfeuert werden.
Es gibt nichts Realistischeres wie den Krieg, der ja
ãein noh gewaltsam HandwerkÓ sein soll, und doch
steckt auch eine sinnbetšrende Romantik in seiner neu-
esten Waffe. Was unsere Altvordern nur dumpf ahnten,
als sie von der Schlacht auf den Katalaunischen Gefilden
erzŠhlten, da§ noch die Geister in der Luft gekŠmpft
hŠtten, das wird zur Wahrheit. Und wir verstehen es,
wie junge Offiziere, durchdrungen von dem Bewu§tsein,
da§ das Leben nicht der GŸter hšchstes sei, sich in
Scharen zu dem Fliegerdienst drŠngen, um zu zeigen,
da§ es bei uns im Fluge vorangeht.Ó
Man fragt sich, mit welchem schwarzen Star doch
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das geistige Auge der Leute, mit welcher Hornhaut
die Unempfindlichkeit ihrer Herzen Ÿberzogen sein
mŸssen, um derlei ohne Aufschrei des Entsetzens zu
sehen und zu lesen.
Nicht alle verhalten sich so stumpf.
In der vorhin angefŸhrten Vision, die im ãGauloisÓ
erschienen ist, und die den Landsleuten freudige Zuver-
sicht auf ihre kŸnftigen Luftsiege einflš§en soll, gab
es in Frankreich auch warnende Stimmen, die im Tone
nur gut unerrtichteter Berichterstatter von der Ueber-
legenheit des Feindes und von dessen PlŠnen Mitteilung
machen.
Die Pariser Zeitung ãExcelsiorÓ schrieb:
ãUnser Generalstab hat nicht gefeiert und aufmerk-
sam die tŠglichen unermŸdlichen Fortschritte unserer
eventuellen Gegner verfolgt. Die hierbei gesammelten
Nachrichten Wurden von Tag zu Tag beŠngstigender. Die
Situation wird bald zu den schlimmsten Beunruhigungen
Anla§ bieten, wenn nicht sofort energische und durch-
greifende Ma§nahmen getroffen werden. Wie unwahr-
wahrscheinlich, ja wie romantisch das klingen mag, der
vom deutschen Generalstab jetzt ausgearbeitete Mobili-
sierungsplan fŸr die Flugmaschinen - und wir ver-
bŸrgen uns fŸr die Echtheit dieser Informationen -
gipfelt in einem Bombardement von Paris aus den LŸften.
Mit fieberhaftem Eifer rŸsten sich die deutschen Flieger
zur AusfŸhrung dieses Planes. Es besteht kein Zweifel
mehr, da§ ein gro§er Teil der von den Deutschen in
Frankreich bestellten Flugmaschinen bereits geliefert ist;
und Ende MŠrz werden unsere Gegner die Flugzeuge
fŸr ihre Fliegerarmee vollzŠhlig beisammen haben. Die
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genauen Nachrichten, die uns zugekommen sind, be-
weisen, da§ wir weder auf dem Gebiete der KŸhnheit
noch der Tatkraft ein Monopol besitzen. Die erste Auf-
gabe der deutschen Flugzeuge ist nichts anderes als
das Bombardement von Paris, durch das gleich zu Be-
ginn der Feindseligkeiten die Bevšlkerung und die
Heere beider LŠnder in ihrem Geist und in ihren Ge-
fŸhlen beeinflu§t werden sollen. Im Augenblick der poli-
tischen Spannung werden alle im Besitz der deutschen
MilitŠrbehšrden befindlichen Flugzeuge sofort an der
Grenze konzentriert, und zwar an zwei, womšglich auch
an drei Punkten, auf denen sie auf den ersten gŸnstigen
Wind warten werden. Im Augenblick der KriegserklŠrung
werden auf ein gegebenes Signal alle diese Flieger auf-
steigen und mit Hilfe des abgepa§ten gŸnstigen Windes
mit einer Schnelligkeit von 160 Kilometern in der Stunde
Kurs auf Paris nehmen. Auf diese Weise werden sie
nur wenige Stunden brauchen, um den Eiffelturm zu
erreichen. Und in hšchstens einer halben Stunde haben
sie Ÿber unserer Hauptstadt 10 000 Kilogramm Explosiv-
stoffe ausgegossen. Jeder Apparat trŠgt vierzig Kilo dieser
Explosivstoffe. - Kšnnen wir diese vernichtende In-
vasion aufhalten und sie daran hindern, ihr Zerstšrungs-
werk zu vollbringen? Augenblicklich nein. Im Lager
von Ch‰lons sind heute beispielsweise nur zwei Apparate
imstande aufzusteigen. Und in Etampes sind seit Wochen
sŠmtliche Flugzeuge in Reparatur.Ó
Die Folgerung dieser schšnen Rhapsodie springt
in die Augen: schnell die Bevšlkerung aufwŸhlen,
damit sie Mittel zum unverzŸglichen Bau von unzŠhligen
grenzenbewachenden (und zugleich Berlin bedrohenden
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- das darf man aber vorlŠufig nicht sagen) armierte Flug-
apparate herbeischaffe.
* *
*
Wie ganz anders hŠtte die Aviatik ein neues besseres
Zeitalter herbeifŸhren kšnnen, wenn die pazifistische
Weltanschauung schon Ÿber die bellizistische das Ueber-
gewicht hŠtte, was nicht der Fall ist. Vor zwei Jahren
trug sich folgendes in Paris zu:
Das ãJournalÓ, das sich heute an den Sammlungen
fŸr die Luftflotte beteiligt, schrieb damals einen Preis
von 200 000 Francs aus, um einen Rundflug von Haupt-
stadt zu Hauptstadt (Paris, Berlin, London, BrŸssel,
Paris) zu veranstalten, und Ÿberschrieb den Aufruf
hierzu:
Der
A‘roplan, Instrument des Friedens.
ãDie Menschheit steht an einem Wendepunkt ihrer
Geschichte. Ueber den Grund und Boden, das Symbol
des Eigentums, um das man sich streitet, hinaus, erheben
sich die Menschen in den unwŠgbaren, unteilbaren Raum,
den keiner je zu behalten vermag. Wenn irgend je
etwas kommen soll - wie einst die Taube in der Arche
Noahs - das den Jahrhunderte alten Groll der Rassen
und Nationen auslšscht, so wird es durch diesen Hšhen-
raum kommen, der allen gemeinsam gehšrt, der sich
nicht teilen, noch nehmen lŠ§t, der von der Menschheit
nur erobert werden kann, wenn sie sich selber - ihre
Leidenschaften, ihren Hochmut, ihre Vorurteile und
Ha§gefŸhle besiegt, um sich in dem gleichen Wunsch
fŸr das allgemeine Wohl der Menschheit zu vereinigen.Ó
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In dem gleichen pazifistisch begeisterten Ton ging
es weiter. Der Widerhall war ein gro§er. Die berŸhm-
testen Flieger aller Weltteile meldeten sich als Teilnehmer
an; ein deutsches Blatt steuerte zu dem Preise 100 000
Mark zu und zum Start des internationalen Fluges wurde
der 4. Juni 1911 festgesetzt.
Es kam aber anders. Als schon alles bereit war,
erhoben die Pariser ChauvinistenblŠtter und die nationa-
listischen Schreier, besonders die Camelots du Roi, einen
solchen LŠrm gegen diese ãunpatriotischeÓ Idee, da§ das
ãJournalÓ sich zurŸckziehen und die Veranstaltung ab-
gesagt werden mu§te.
Und heute? -- So schnell kšnnen Stimmungen
in ihr Gegenteil umschlagen. Nur leider sind es bisher
immer die im kriegerischen Geiste gehaltenen Kund-
gebungen, die am meisten wirken, weil sie die lautesten
sind, weil sie von den hšchsten Machtstellen unterstŸtzt
wenden, und weil sie die stets willfahrige Masse in ein
altgewohntes GefŸhlsgeleise drŠngen, da, wo sie -
dem Gesetz des geringsten Widerstandes gemŠ§ - so
leicht hingleiten.
* *
*
Interessant sind folgende Aeu§erungen eines italie-
nischen Offiziers, der gegen die Verwendung der Aero-
nautik zum Bombenschleudern in einem in der ãVita inter-
nazionaleÓ erschienenen Artikel Protest erhoben hat. Frei-
lich geschah das vor dem Ausbruch des tripolitanischen
Krieges, dem in der Kriegsgeschichte der Ruhm (!) zu-
erkannt werden wird, zuerst die Todesbomben von
Himmelsauen herabgeworfen zu haben, wie es hei§t
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(hoffentlich unabsichtlich), auch auf die Ambulanzen des
roten Halbmondes.
ãEs sei mir erlaubt (schrieb Capitano Carmelo Perazzi),
eine schŸchtern dissonierende Note zu bringen (in die
allgemeine Begeisterung fŸr die offensive Ausnutzung
der Lufteroberung). Mich drŠngt dazu die Gewalt
und die Aufrichtigkeit des GefŸhls, das uns einen
einzigen Schrei entringt, einen Appell an die ganze ge-
sittete Welt. Genug! um der WŸrde des Menschen
willen, genug! Ich sage dies aus dem beleidigten Ge-
fŸhl heraus, das sich gegen jene lŠsterliche Profonation
des Kulturgedankens auflehnt, die jede, auch die edelste
und reinste Errungenschaft des menschlichen Genius
unter die barbarische Idee des Krieges zwingt.
- - Es will uns scheinen, da§ jener Proze§,
durch den sich die Heere allen neuen Entdeckungen der
Wissenschaft assimilieren, den Zweck - oder vielmehr
die Illusion hat, den Krieg zu adeln, ihn der wachsen-
den Zivilisation gleich und wŸrdig zu gestalten, gerade
so, wie man vielleicht glaubt, die Todesstrafe weniger
entehrend zu machen, wenn man den elektrischen Stuhl
an Stelle des Galgens setzt.
Aber das ist die richtige Utopie. Der Krieg ist
alt, und grausam und brutal in seinem Wesen, heute wie
zur Zeit der Hšhlenmenschen, und wie er sein wird,
so lang er eben sein wird.Ó
Weiter setzt der Verfasser des Artikels auseinander,
da§ ein Messen der StreitkrŠfte unmšglich wird, wenn
sich die KŠmpfer von der Erde erheben, um sich in
den Luftgefilden zu verbreiten, da sie da jeder Auf-
findung, Verfolgung und Bezwingung entrŸckt wŠren,
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besonders in der leeren Unendlichkeit der Nacht; mit
andern Worten, jede militŠrische EffektivstŠrke der
Staaten und der Krieg, der ja eben die Messung der
gegenseitigen KrŠfte darstellt, fielen in sich zusammen.
ãNun, wenn das das Ergebnis von der Anwendung
der Aviatik zu Kriegszwecken wŠre,Ó - so schlie§t der
Artikel -, ãein Ergebnis, das von den Fšrderern der
LuftrŸstung sicher nicht gewollt ist, - denn mšgen
sie kommen, die militŠrischen Flugvehikel, in zahlloser
Menge, und sollen gesegnet sein. Hingegen, wenn das
aufrichtige Vertrauen, das die MilitŠrs in dieses neue
Kriegsmittel setzen, drau§en Widerhall findet, weil der
Spekulationsgeist der neuen aviatischen Industrie auf
diese Weise versucht, Subsidien zu erhalten, - dann:
nein! Angesichts der Gro§artigkeit der Errungenschaft,
angesichts der edlen Idee, die in ihr enthalten ist, sollen
jetzt jene Subsidien und Ermutigungen, die jetzt von den
Kriegsverwaltungen ausgehen, von einem neuen Mini-
sterium kommen, - dem einzigen, das fortan
die Schicksale der zivilisierten Všlker
lenken sollte -, dem Ministerium der Kultur und
des Fortschritts.Ó
* *
*
Ein
Memorandum gegen den Gebrauch
bewaffneter
Luftschiffe.
(Unterzeichnet von 300 hervorragenden Namen aus
kirchlichen, aristokratischen, politischen, wissenschaft-
lichen und kŸnstlerischen Kreisen in England. Darunter
zehn Bischšfe; der kŸrzlich verstorbene Lord Lister; die
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gefeierten Schriftsteller Thomas Herdy, ]ohn Galsworthy,
H.G. Wells, Conan Doyle usw.)
Wir, die Unterzeichneten, legen Verwahrung ein
gegen den Gebrauch bewaffneter Luftfahrzeuge im
Kriege. Wir appellieren an alle Regierungen, da§
sie mit allen ihnen zur VerfŸgung stehenden Mitteln,
eine internationale VerstŠndigung herbeifŸhren mšgen,
durch die die Welt davor bewahrt werde, da§ eine neue
Orauenhaftigkeit zu den schon bestehenden Kriegsgreueln
hinzukomme.
Ohne allgemeines Uebereinkommen kann keine ein-
zelne Macht das Uebel aufhalten, und jeder Tag des
dafŸr angewendeten Scharfsinns und jeder dafŸr auf-
zuwendende Betrag erschweren die Mšglichkeit eines
solchen Uebereinkommens.
Die Gelegenheit ist einzig. Die zivilisierte Welt hat
jetzt die FŸrchterlichkeit und die Vergeudung des Krieges
erfa§t. Die Haager Konferenz ist eine eingesetzte Tat-
sache. Zum ersten Male im Entwicklungsgang der Kriegs-
mittel besitzen die Nationen das nštige Bewu§tsein und
die nštige Maschinerie, um dieser Entwicklung wirksam
Einhalt zu tun.
Das ganze Kulturreich beteuert seinen Wunsch nach
Frieden und Wohlwollen, seinen Wunsch die bereits
jetzt viel zu drŸckende Last der RŸstungen zu vermeiden.
Wenn diese Beteuerungen nicht elende Heuchelei sind,
so kann man nicht ruhig zusehen, wie die Eroberung
der Luft, diese ruhmvollste unter den mechanischen Er-
rungenschaften des Menschen, stumpfsinnig zu Zwecken
der Vernichtung verwendet wird; man kann nicht trŠge
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zulassen da§ ein neuer Weg zur schwerwiegenden Ver-
mehrung der RŸstungslasten eingeschlagen werde.
Es gibt wohl viele, die glauben, da§ der Luftkrieg
auf Grund seiner Entsetzlichkeit sich als maskierter Segen
herausstellen wird, indem er die Menschen vom Kriege
abschreckt. Diesen sagen wir: Die Kulturwelt sanktioniert
doch nicht die Verheerungen einer neuen und unterdrŸck-
baren Form von Krankheit, damit die Menschen, durch
das Entsetzen aufgestachelt, sich desto eifriger verbinden,
um jegliche Form von Krankheit auszumerzen. Und
Ÿberdies: Ihr unterschŠtzet die AnpassungsfŠhigkeit der
menschlichen Natur, die schon lange bewiesen hat, da§
sie alle Formen des Terrors ertragen kann.
Andere gibt es, die sagen, die Fliegekunst werde nie
zu voller Entwicklung gelangen ohne den Stimulus des
Krieges. Diesen geben wir zu bedenken, da§ die Mensch-
heitsgeschichte uns nicht ohne Hoffnung lŠ§t, da§ da,
wo eine Nachfrage ist - sei es auch nur fŸr Zwecke
des friedlichen Lebens -, auch ein Angebot sich ein-
stellen wird. Und sollte durch den Entschlu§, sie fŸr
gegenseitige Hilfe, statt fŸr gegenseitige Vernichtung zu
benŸtzen, die Fliegekunst wirklich um ein paar jahre
verzšgert werden, so wŠre das fŸr die Menschheit kein
Verlust.
Viele meinen, wenn die Leute schon auf der Erde
und auf dem Wasser sich schlagen, so kšnnen sie dies
ebensogut in der Luft tun. Diesen antworten wir: Es
hat bis jetzt noch keinen Augenblick gegeben, wo es tat-
sŠchlich durchfŸhrbar gewesen wŠre, die Kriegsinstru-
mente der Erde und des Wassers zu verbannen. Es gibt
aber einen Augenblick, wo es praktisch mšglich wŠre,
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jene der Luft zu verbannen. Dieser Augenblick ist eben
jetzt - ehe die Benutzung dieser Instrumente ausge-
probt ist, ehe gro§e Interessen darin investiert worden
sind. Den Regierungen ist nicht nur die Gegenwart,
sondern auch die Zukunft der Menschheit anvertraut.
Das Schicksal hat jenen entscheidenden Augenblick in
die HŠnde der Regierungen gelegt. Wir flehen sie an,
ihn weise zu benŸtzen.Ó
Bis jetzt hat der Aufruf kein Gehšr gefunden. Un-
gehšrt zu bleiben: Daran mu§ die Stimme der Vernunft
sehon nachgerade gewšhnt sein.
* *
*
MilitŠrischerseits sind zwei GrundsŠtze in Geltung,
die eine genŸgende ErklŠrung fŸr das Verhalten der
Kriegsverwaltungen zum Luftflottenproblem enthalten:
1. Jedes neue technische Hilfsmittel mu§ in den Dienst
der KriegsrŸstung gestellt werden, und je schaden-
bringender, desto besser.
2. Alles was die ãanderenÓ zur Vermehrung ihrer
militŠrischen Kraft tun, das mŸssen ãwirÓ sofort
nachmachen und womšglich Ÿberbieten.
Mit diesen zwei GrundsŠtzen ist das pflichtgemŠ§e
Vorgehen, das schon bei vier Waffen ohne Wanken einge-
halten wurde, auch bei der ãfŸntfen WaffÓ genŸgend er-
klŠrt und gerechtfertigt. Die Richtung ist gegeben, der
Weg gerade, das Ziel sichtbar. Wie zwei Scheuklappen
sind diese beiden GrundsŠtze um das geistige Auge
befestigt, da hei§t's nur immer gradausvor, - da gibt's
kein Rechts- noch Linksdenken mehr. Die Frage um
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Nebenwirkungen, um Schlu§folgerungen bleibt uner-
šrtert, die Frage: ãWas dann ?Ó bleibt entweder ohne
Antwort oder wird mit Beschwichtigungen beiseite
geschoben.
Es mu§ sich sehr bequem weitertraben lassen mit
jenen zwei Scheuklappen, denn merkwŸrdig: Die Massen,
die Parlamente, die Zeitungen, alle tragen sie, und
nehmen an, es mu§ so sein: jedes Hilfsmittel hat zur
StŠrkung der Wehrmacht zu dienen, und der Nachbar
macht's, also machen wir's auch. Nur die einzelnen, die
Ungehšrten, die quŠlen sich mit dem so schreckens-
schwangeren: ãWas dann ?Ó Wenn nun das Wachsen
der Luftapparate in den nŠchsten zehn Jahren in dem
VerhŠltnis zunimmt, wie es in den letzten vier Jahren
zugenommen hat, und ganze Lufttruppen die Sonne
verfinstern, wenn die RŸstungsausgaben, die schon zur
Zeit des Zarenmanifests als nicht mehr zu ertragen an-
erkannt wurden, immer noch steigen trotz Teuerung
und Not, was dann ? Wenn weitere Erfindungen gemacht
werden (wo hŠlt man mit dem Fernlenkenkboot?), wenn sich
der Tod und die Vernichtung sozusagen drahtlos im
ganzen Raume werden ausstreuen lassen, wie jetzt die
Funkentelegramme, was dann, was dann?
So steht doch Rede!
* *
*
Aber auch ihr, in deren Hirnen diese bange Frage
wŸhlt, ruft sie doch lauter hinaus! Bleibet nicht stumm
und stumpf und resigniert, drŠnget eure Gewissens
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skrupel, eure inneren Proteste nicht mit dem mutlosen
Seufzer zurŸck: ãEs nŸtzt ja doch nichts.Ó Alles nŸtzt.
Wenn Schlimmes geschieht, ist nicht nur der schuldig,
der es tut, sondern auch, der es schweigend geschehen
lŠ§t.
Freilich, fŸr uns Kriegsfeinde liegt die ErwŠgung
nahe: An dieser UeberschŸrung seiner Flammen wird
der ganze Kessel ãKriegÓ zerspringen. Also desto besser.
Nein, denn es kann die ganze Kultur mit explodieren.
Oder doch, es kšnnen fŸrchterliche Katastrophen, die
vermeidbar sind, hereinbrechen. Und dann, es ist un-
wŸrdig, das, was man fŸr Wahrheit hŠlt, nicht zu sagen,
nicht immer und Ÿberall das, was man als Uebel, als
Gefahr erkennt, mit aller Kraft zu bekŠmpfen.
Und das Mittel wŠre so einfach - liegt so nahe.
Wie es in dem englischen Memorandum hei§t: eine
Vereinbarung haben die MŠchte zu treffen, ein
všlkerrechtliches Gesetz einzusetzen, wonach, wie es in
der ersten Haager Konvention hie§, das Bombenwerfen
aus Luftschiffen und Aeroplanen verboten ist. Hat man
doch Brunnenvergiftung verboten, die Dumdumkugeln
und anderes verboten, sollte jetzt erst alles als erlaubt
gelten - etwa auch Seuchenbakterien ins feindliche Land
zu versenden?
Ich mšchte alles, was ich in diesen flŸchtigen
BlŠttern gesagt habe (es ist nicht der hundertste Teil
von dem, was mir und ungezŠhlten Zeitgenossen
auf dem Herzen brennt), in Form eines Aufrufes
zusammenfassen. Schlicht, ohne lange BegrŸndung
- diejenigen, die ihn mit unterzeichnen wollten, sind
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ohnehin eines Sinnes, und diejenigen, an die er sich
wendet, werden nicht durch seinen Inhalt sich bewegen
lassen, sondern durch seinen Widerhall, wenn sich dieser
stark genug gestaltet. Und wenn sie taub bleiben, wenn
es kein rettender Hilferuf werden soll, so wird es doch
ein Schrei sein, der das eigene Gewissen befreit, und
ein Dokument fŸr die Nachwelt, auf dem einige Namen
derer verzeichnet stehen werden, die an dem Unheil
nicht mitschuldig sind.
Aufruf.
Angesichts der ruinierenden Kosten, der die Kultur
bedrohenden Gefahren und der das Kulturgewissen ver-
letzenden Greuel, die die Ausdehnung des Krieges auf
die neu eroberten Lufthšhlen enthalten, protestieren wir
gegen die jetzt so allgemein einsetzende Agitation zu-
gunsten armierter Luftflotten;
protestieren besonders heftig gegen das um Tripolis
schon in die Praxis eingefŸhrte Bombenschleudern aus
Aeroplanen, wobei sogar Lazarette getroffen werden
kšnnen;
und richten an die Vertreter und Lenker der
Všlker die eindringliche Bitte, so bald als tunlich -
womšglich noch vor der nŠchsten Haager Konferenz -
eine Vereinbarung zwischen den MŠchten herbeizufŸhren
zwecks Erneuerung des auf der ersten Haager Konferenz
auf die Dauer von fŸnf jahren eingefŸhrten Verbotes,
von Luftschiffen Sprengstoffe herabzuschleudern.
Im Namen der Vernunft und der Barmherzigkeit, im
Namen des menschlichen Genius, dessen stolze letzte
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Errungenschaft den Ausblick in eine hšhere Zivilisations-
epoche eršffneten, im Namen Gottes (ein Name, mit
welchem jeder, wes Glaubens oder Nichtglaubens er
sei, das Erhabenste und Edelste umfa§t, zu dem er auf-
blickt), sei dieses Verlangen vergebracht.
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